Ermittlungs- und Festsetzungs-/Feststellungsverfahren

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat das Finanzamt die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die für die Besteuerung bedeutsam sind, von Amts wegen zu ermitteln. Es bestimmt dabei Art und Umfang der Ermittlungen (§ 88 AO). Hierzu hat der Steuerpflichtige alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß offen zu legen (§ 90 AO).

Konkret bedeutet dies, dass ein Steuerpflichtiger, der gesetzlich verpflichtet ist oder vom Finanzamt aufgefordert wird, eine Steuererklärung abzugeben, diese nach bestem Wissen auszufüllen und dem Finanzamt einzureichen hat. Diese Erklärung prüft der nach der internen Geschäftsverteilung des Finanzamts zuständige Bearbeiter der Veranlagungsstelle. Hierbei kann er auch auf Informationen aus so genannten Kontrollmitteilungen oder steuerlichen Datenbanken zugreifen. Sind Angaben gleichwohl unklar oder ergänzungsbedürftig, kann der Bearbeiter den Steuerpflichtigen um weitere Aufklärung bitten. Anschließend setzt er die Steuer durch einen Steuerbescheid fest. Der Steuerbescheid stellt einen schriftlichen Verwaltungsakt dar, der mit Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen wirksam wird. Mit dem Steuerbescheid verbunden wird die Aufforderung, die festgesetzte Steuer innerhalb einer bestimmten Frist (in der Regel ein Monat) zu entrichten.

Ist die Steuer festgesetzt, sind sowohl das Finanzamt als auch der Steuerpflichtige an die Steuerfestsetzung gebunden. Eine Änderung der Steuerfestsetzung ist nur möglich, wenn eine Korrekturvorschrift (§ 172 ff. AO) dies zulässt. Steuern können unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder mit einem Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 AO) festgesetzt werden. Sofern die Festsetzungsfrist (bei Steuern in der Regel 4 Jahre) abgelaufen ist, kann die Steuerfestsetzung nicht mehr geändert, aufgehoben oder berichtigt werden (Festsetzungsverjährung). Der Beginn der Festsetzungsfrist kann hinausgeschoben (§ 170 AO) und deren Ablauf gehemmt werden (§ 171 AO).

Bei einer Steueranmeldung (z. B. Umsatzsteuer- oder Lohnsteueranmeldung) hingegen berechnet der Steuerpflichtige die Steuer selbst, meldet diese beim Finanzamt an und führt sie ab. Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Weist die vom Steuerpflichtigen berechnete Steueranmeldung ein Guthaben aus, so muss das Finanzamt erst zustimmen, bevor die Steueranmeldung als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt und das Guthaben erstattet werden kann. Sofern die Finanzbehörde keine Änderung an der Steueranmeldung vornimmt oder dem vom Steuerpflichtgen errechneten Guthaben zustimmt, ergeht kein Bescheid.

Im Besteuerungsverfahren hat der Steuerpflichtige demnach sowohl allgemeine als auch spezielle Mitwirkungspflichten besonders in Form von Erklärungs- und Auskunftspflichten zu erfüllen. Aber auch die Finanzbehörden sind an bestimmte Grundsätze gebunden: Sie haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht hinterzogen oder leichtfertig verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergünstigungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Die Finanzbehörden ermitteln den Sachverhalt von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz). Dabei haben sie auch die für den Steuerpflichtigen günstigen Umstände zu berücksichtigen. Das bedeutet aber nicht, dass das Finanzamt jeder Position in der Steuererklärung im Detail nachgehen und für jeden Steuerabzug umfangreiche Nachweise anfordern muss. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen und die Steuererklärung vollständig und plausibel ist, kann es den Angaben des Steuerpflichtigen auch ohne Nachfragen Glauben schenken und die Steuer auf dieser Basis festsetzen.

Abbildung des Ermittlungs- und Festsetzungsverfahrens
© Bundesministerium der Finanzen
Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, d. h. der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, an die die Besteuerung anknüpft, bildet grundsätzlich einen unselbständigen Teil der Steuerfestsetzung, der lediglich der Begründung des Steuerbescheides dient. Daher kann ein Steuerpflichtiger nicht einzelne Besteuerungsgrundlagen, sondern nur den Steuerbescheid als Ganzes durch Einspruch anfechten (vgl. § 157 Abs. 2 AO). Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer sind z. B. der Arbeitslohn oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb, aber auch die Höhe der Spenden oder die Krankenversicherungsbeiträge.

Für bestimmte Fälle hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen angeordnet (§ 179 Abs. 1 AO). Das bedeutet, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, die z. B. für eine Einkommensteuerfestsetzung von Bedeutung sind, in einem gesonderten Bescheid festgestellt werden. Im Feststellungsverfahren wird dabei nicht die Steuer selbst festgesetzt, sondern es werden nur die Besteuerungsgrundlagen, z. B. der Gewinn aus Gewerbebetrieb, ermittelt und verbindlich festgestellt. Der Feststellungsbescheid besitzt Bindungswirkung für die nachfolgende Steuerfestsetzung, d. h. dass bei der Steuerfestsetzung die Besteuerungsgrundlagen so berücksichtigt werden müssen, wie sie im Feststellungsbescheid festgestellt worden sind. Feststellungsbescheide stellen Grundlagenbescheide dar, die hinsichtlich der in ihnen getroffenen Feststellungen selbständig durch Einspruch anfechtbar sind.

Der Feststellungsbescheid soll im Interesse der Verfahrensökonomie, der Rechtssicherheit und einer gleichmäßigen Besteuerung die steuerrechtliche Bedeutung bestimmter Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung für den Steuerbescheid regeln. Gesondert festgestellt werden insbesondere die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, wenn sich der Betrieb eines Steuerpflichtigen in einem anderen Finanzamtsbezirk befindet als sein Wohnsitz. Erzielen mehrere Steuerpflichtige gemeinsam Einkünfte aus derselben Einkunftsquelle, z. B. einer Grundstücksgemeinschaft, erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung. In diesem Fall wird nicht nur die Höhe der Einkünfte festgestellt, sondern auch die Verteilung auf die einzelnen Beteiligten.

Gibt der Steuerpflichtige keine Steuererklärung ab, kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO) oder die Abgabe der Erklärung mit Zwangsmitteln durchsetzen (§§ 328 ff. AO). Bei verspäteter oder unterlassener Abgabe der Steuererklärung kann zudem ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 AO). Soweit die Steuergesetze nichts anderes bestimmen, gilt nach § 149 Abs. 2 AO für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen (z. B. Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuererklärung, Umsatzsteuerjahreserklärung) grundsätzlich eine fünfmonatige Frist für die Abgabe der Steuererklärung. Die Finanzbehörden können diese Frist verlängern (§ 109 AO). Für von Angehörigen der steuerberatenden Berufe angefertigte Steuererklärungen werden die Fristen durch Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres allgemein verlängert.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen